wer von euch hat denn schonmal das deutsche Sportabzeichen gemacht? Sicherlich viele. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass dieser Kelch in den letzten 40 Jahren mit großen Schritten an mir vorüberging. Seit "Jugend trainiert für Olympia" in meiner Teenagerzeit bin ich in einigen Disziplinen, die für das Sportabzeichen notwendig sind, nicht mehr aktiv gewesen. Warum also nicht mal wieder in Angriff nehmen.
Deshalb haben Axel und ich Ende 2018 beschlossen, wir machen im Jahr 2019 das deutsche Sportabzeichen. Axel, auch Mittfünfziger, ist ein guter Freund von mir. Wir fordern mindestens 2 mal pro Woche im Fitnessstudio unsere Muskulatur und fahren im Sommer gemeinsam auch die eine oder andere Runde mit dem Rennrad. Als früherer Ligatriathlet und Leistungskegler war Axel sportlich auf einem sehr hohen Niveau. Ist deshalb durchaus auch etwas vielseitiger. Als mittlerweile sehr erfolgreicher Unternehmer in der Spielzeugbranche liegt bei ihm seit einigen Jahren der Fokus aber nicht mehr auf dem Leistungssport. Sportlich fordern ja, wie er immer sagt, aber zur Gesunderhaltung und nicht, um irgendjemandem noch etwas zu beweisen. Er hat sich quasi meine Philosophie verinnerlicht ;-).
Von drei möglichen Abzeichen (Bronze, Silber oder Gold) streben wir natürlich das Goldene an. Warum kleine Brötchen backen, wenn die größeren den Hunger besser stillen ;-)
In jeder Kategorie und Disziplin muss also das für Gold geforderte Ergebnis erreicht werden. Das Sportabzeichen ist in 4 Kategorien unterteilt. Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination. Innerhalb dieser 4 Kategorien kann man dann unter mehreren möglichen je eine Disziplin wählen, von der man denkt, dass man sie von allen am besten bewältigen kann.
Das deutsche Sportabzeichen 2019 läuft schon seit einigen Monaten, aber wir beide hatten erst am 4. Juli 2019 unseren 1. Auftritt. An diesem Tag stand für uns die Kategorie Ausdauer auf dem Programm. Um unsere aerobe Fitness auf den Prüfstand zu stellen, wählten wir die Disziplin 20 Kilometer Radfahren und zwar auf einer ganz besonderen Strecke. 4,5 Runden auf dem legendären Hockenheimring. Da quasi mit dem Rad zu fahren, wo sonst nur schnelle Autos und Motorräder unterwegs sind. Ein ganz besonders Privileg für die beiden alten Herren. Ich bin schon einige Male auf dieser Rennstrecke mit dem Rad gefahren, aber das liegt schon mehrere Jahre zurück. Jetzt im Rahmen des deutschen Sportabzeichens war es wieder möglich. Die Glückshormone in meinem Körper gaben schon morgens beim Aufstehen so richtig Gas.
Axel holte mich gegen 16 Uhr mit seinem Firmentransporter ab. Der Start war zwar erst für 18 Uhr geplant, aber wir wollten nicht Opfer des Feierabendverkehrs werden, Nachdem meine Adrenalin - Prinzessin und meine Tasche verladen waren, gings auch schon gleich los gen Hockenheim.
Kaum in Hockenheim angekommen, begannen auch schon die Vorbereitungen für die 4,5 schnellen Runden auf den Spuren der Formel 1. In Schale werfen, Reifenruck prüfen und ggf. nochmal nachpumpen, Trinkflaschen befüllen, Brille putzen, kurze Testfahrt und die Schaltung nochmal checken, etc. pp. Im Grunde also wie im Profi Peloton der Tour de France ;-). Naja fast..... :-) :-).
Im Vergleich zu den allermeisten anderen Teilnehmern waren wir beide aber schon deutlich "professioneller" ausgerüstet. Nur ein ganz geringer Teil war auch tatsächlich mit einem Rennrad am Start. Der Großteil startete in Freizeitradkleidung mit einem Stadt- oder Fitnessrad. Einer fragte uns tatsächlich, was wir denn hier wollen. Es ist nur das deutsche Sportabzeichen und kein internationales Radrennen, sagte ein weiterer Teilnehmer. Aber wir wollen doch die Goldmedaille, also muss die Ausrüstung entsprechend sein. ;-)
Es ist schon faszinierend auf dem Hockenheimring. Hier geben sich Motorsportveranstaltungen die Klinke in die Hand. Alles ist zeitlich ganz genau getaktet. Bis kurz vor unserer Prüfung waren noch Motorräder auf der Strecke und drehten ihre Runden.
Das Einschreiben war erledigt und mit einer leichten Verspätung gings dann über die Boxengasse direkt auf den Ring. Wir konnten uns ganz kurz einrollen bis zur Startaufstellung auf Höhe der Mercedestribüne. Da wir wie oben schon erwähnt 4,5 Runden fahren mussten, war dieser Startort notwendig.
Nach erreichen der Mercedestribune und einer ganz kurzen Ansprache des Zeitnehmers, fiel auch schon der Startschuss. Da ich mich ganz vorne eingereiht hatte, kam ich sofort sehr gut in Tritt. Mit in einer kleinen Gruppe führte ich gleich das Feld an und wir drückten ordentlich aufs Tempo. Axel war kurz vor der Sachskurve noch neben mir, konnte und wollte aber bereits auf Höhe der späteren Ziellinie das Tempo nicht mehr mitgehen. Jetzt lagen noch 4 Runden vor mir.
Relativ schnell merkte ich aber, dass ich mit meinen Kräften haushalten muss, sonst würden mich die schnellen Jungs platt machen. Zumal ich der Älteste in dieser Gruppe war. Also war erstmal bisschen Lutschen angesagt und ich ließ die anderen arbeiten. Durch gutes Zusammenarbeiten konnten wir uns dann etwas vom Hauptfeld absetzen. Wir rollten immer im Bereich zwischen 36 und 45 km/h. Je nach Streckenabschnitt. Ich wollte die anderen aber nicht die ganze Zeit arbeiten lassen und bin dann auch ab und zu vorne im Wind gefahren. Das verlangt die Radsportlerehre ;-). Das Tempo konnten wir halten und nach zahlreichen Überrundungen anderer Teilnehmer gings dann auf die letzte Runde. Die hatte es nochmal in sich. Unsere Gruppe war noch zusammen. Ab sofort war aber jeder Einzelkämpfer, da die Gelegenheit günstig war, als Erster die Ziellinie zu überqueren. Also nochmal Beine in die Hand nehmen und Rock 'n Roll. Am Anfang der Zielgeraden kam es dann zum Showdown. Ich mobilisierte meine letzten Kräfte und überquerte als Zweiter die Ziellinie.
Der Zeitnehmer rief mir eine Zeit von 31 Minuten und 18 Sekunden zu. Diese Zeit musste ich mir merken und später in mein Formular eintragen lassen. Durch das kurze Weiterrollen nach Überqueren der Ziellinie hat mein Garmin das Ergebnis allerdings etwas verfälscht.
Mit der Zeit von 31,18 Minuten als Basis, bin ich einen soliden 38-er Schnitt gefahren. Für einen Mittfünfziger nicht so schlecht. Die geforderten 47,30 Minuten für GOLD habe ich also mehr als unterboten. Die Freude war groß, was man auf dem nachfolgenden Afterrace - Foto sehr gut erkennen kann.
Axel kam mit 35,11 Minuten nur ca. 4 Minuten nach mir ins Ziel. Damit hat er die Vorgabe auch mehr als erfüllt. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, rollten wir uns zusammen mit einige anderen noch ein bisschen aus und bewegten uns dann in Richtung Parkplatz.
Wir verluden die Rennmaschinen wieder in den Transporter und ab gings nach Ketsch. Frisch geduscht und mit einem Loch im Bauch gönnten wir uns in Walldorf noch eine leckere Pizza.
Die Kategorie Ausdauer steht somit in den Büchern. Die nächsten Termine für die fehlenden 3 Kategorien/Disziplinen finden für uns dann im August/September statt. Stay tuned.
Kette rechts
Reiner
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